Hackathons: Research, Ideenentwicklung und Prototyping wachsen zusammen
Alles was man wissen muss
Hackathons werden als Methode und Möglichkeit in kurzer Zeit innovative Konzepte zu entwickeln immer populärer. Und das in unterschiedlichsten Bereichen. Im Oktober 2015 fand der erste große Education Hackathon, HackingEDU, in San Francisco statt. Über 1.000 Studenten aus den gesamten USA waren zusammenkommen, um innovative, digitale Lösungen im Bereich der Hochschulbildung zu entwickeln und so die Art, wie Wissen an Hochschulen vermittelt wird, zu verändern und zu verbessern.
Hackathons sind kollaborative, oft interdisziplinäre Programmierveranstaltungen, die zum Ziel haben, in kurzer Zeit digitale Produkte zu entwickeln und zu Prototypen zu gelangen. Die Effektivität und das geringe mit diesem Entwicklungsformat verbundene Risiko führen dazu, dass sich Hackathons im Non-Profit-Bereich ebenso schnell etablieren wie in großen Unternehmen. Der Begriff “Hackathon” ist ein Neologismus der sich aus den beiden Wörtern „Hacking“ und „Marathon“ zusammensetzt: Das “Hacking” repräsentiert dabei den agilen und kreativen Umgang mit Technologie; der “Marathon” spielt auf die Anstrengung an, die ein Hackathon einfordert, denn meist gehen die Events ohne Pausen über 24 bis 48 oder mehr Stunden. Das Ziel ist: Ankommen. Hackathons werden oft außerhalb der Unternehmen oder Organisationen veranstaltet, die sich daran beteiligen. Das Format ist ein offenes Format, das die Kollaboration heterogener Kompetenzen fördern will – außerhalb der Restriktionen, die aus dem Kontext des Unternehmens oder der Organisation entstehen. Das bedeutet aber nicht, dass Hackathons nicht auch als internes Entwicklungsformat funktionieren können. IBM, Microsoft, die Bosch Gruppe oder Eon sind nur einige der Unternehmen, die regelmäßig Hackathons im Unternehmen, an Universitäten, im Rahmen von Konferenzen oder an anderen Orten veranstalten.
Auch wenn im eigentlichen Sinne das Ergebnis von Hackathons eher digitale Produkte sind, können auch Unternehmen, die mit der Digitalisierung noch am Anfang stehen, diese Vorgehensweise als Entwicklungsmethode nutzen, um ihr digitales Geschäftsmodell anzuschieben. Egal ob für digitale oder analoge Produkte, egal ob extern oder im Unternehmen veranstaltet, entscheidend ist die Geschwindigkeit mit der die Teilnehmer bei Hackathons Ideen in erste Prototypen übersetzen. Die Geschwindigkeit hilft dabei, komplett neue oder bereits vorhandene, diffuse Vorstellungen schnell greifbar zu machen. Sowohl der Like-Button als auch die Timeline von Facebook sind beispielsweise Ergebnisse von Hackathons. Durch das schnelle Entwickeln wird deutlich, welche Ideen umsetzbar sind und welche nicht. Es werden Dinge vorstellbar, die außerhalb von Hackathons nie auf die Agenda von Unternehmen geraten wären. Denn die Herangehensweise und somit die Ergebnisse entspringen eher dem kreativen und emotionalen Impuls als dem rationalen Denken. Die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg entsteht aus der Heterogenität und Vielfalt, ebenso wie aus der Tatsache, dass verschiedene Teams zeitgleich und konzentriert an der Lösung desselben Problems oder zumindest an einer ähnlichen Aufgabenstellung arbeiten. Das Wettbewerbsmoment steigert das Involvement der Teilnehmer zusätzlich.
Hackathons können als agile Entwicklungsmethode eine kostengünstige und effektive Alternative oder Ergänzung zur eigenen R&D-Arbeit darstellen, weil sie den kollektiven Kreativprozess beschleunigen und ihr Ergebnis erste, konkrete Protoypen sind die dann weiterentwickelt werden können. Die Phase, in denen man sich mit abstrakten Konzepten auf Papier befasst wird damit verkürzt. Die Kunst bei der Implementierung dieser Entwicklungsmethode besteht darin, ein sinnvolles und robustes strategisches Framework zu schaffen, dass diesem geballten Kreativitätsschub Richtung verleiht. Bei aller Effektivität kann der Hackathon eine Frage nämlich nicht beantworten: Warum sollte ich umsetzen, was ich Neues für mich entdeckt habe? Der Hackathon ist ein Tool, das Möglichkeiten öffnet. Er schafft aus sich heraus aber nur wenig Sinn und Richtung.
Mit dem Bauch denken – und wie qualitative Marktforschung uns dabei helfen kann
Alles was man wissen muss
Lassen Sie uns zum Einstieg ein kleines Gedankenexperiment wagen: Stellen Sie sich einmal vor, Sie seien ein Truthahn. Sie leben auf einer Farm und jeden Tag zur selben Uhrzeit kommt der Bauer zu Ihnen, um Sie zu füttern. Zu Beginn werden Sie zurückhaltend sein. Sie können sich nicht sicher sein, ob Sie dem Mann in der blauen Hose wirklich trauen können. Nach einigen Tagen überwinden Sie sich jedoch und – einem mulmigen Gefühl zum Trotz – nähern sich dem Herrn und werden dafür auch schnurstracks mit köstlichem Futter belohnt. Die folgenden Wochen wiederholen Sie deshalb dieses Verhalten, kassieren die schmackhafte Belohnung und Ihre anfängliche Unsicherheit scheint sukzessive verschwinden. Doch dann ist der Tag vor Thanks-Giving und wie Sie sich denken können, wird die tägliche Fütterung für Sie dieses Mal kein gutes Ende nehmen.
Die Geschichte vom Truthahn verwendete Prof. Gerd Gigerenzer, Direktor der Abteilung „Adaptives Verhalten und Kognition“ und Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz am Max-Planck-Institut, um die Grenzen und Fallstricke quantitativ-datenbasierten Handelns aufzuzeigen. Denn wie der Truthahn laufen auch algorithmische Prognosemodelle Gefahr, die Zukunft allein basierend auf der Vergangenheit vorherzusagen. Doch haben wir nicht gelernt: „The best predicitor of future behavior is past behavior“? Ist nicht die Vergangenheit das beste Datenmaterial, um ein valides Bild der Zukunft zu zeichnen? Eigentlich schon, doch hat diese Maxime nur begrenzte Gültigkeit. Denn nur solange, wie wir uns in Kontexten fester Regeln und wiederkehrender Phänomene befinden, wenn die Zukunft also tatsächlich aus den Mustern der Vergangenheit extrapolierbar ist, bleibt Zukunft berechenbar. Befinden wir uns jedoch – so wie der Truthahn – in Kontexten, die von unvorhersehbaren Ereignissen und genereller Unsicherheit geprägt ist, kann der feste Glaube an die Berechenbarkeit der Zukunft falsche Erwartungen an die Zukunft und dessen Berechenbarkeit erzeugen.
Doch bedeutet dies im Umkehrschluss, dass wir im Zustand des Nicht-Wissens verharren müssen? Dass die Zukunft letztendlich ein Produkt des Zufalls bleibt und wir keine Chance haben, diese bewusst mitzugestalten? Dies wäre eine ernüchternde Erkenntnis, sind doch Unternehmen häufiger denn je in der Verantwortung , sich stetig zu erneuern, sich freiwillig in Kontexte hoher Unsicherheit zu begeben und Innovationen zu wagen.
Keine Panik. Denn Gigerenzer liefert in seinem Talk auch gleich eine Lösung für dieses scheinbare Problem. Für ihn stellt die bewusste Anwendung von Heuristiken – hierunter verstehen Psychologen mentale Abkürzungen, einfache Faustregeln bzw. die bewusste Berücksichtigung der eigene Intuition bei einer Entscheidung – eine praktische Alternative zur datenbasierten Managementpraxis dar. Hätte der Truthahn von Anfang an auf sein Bauchgefühl gehört, hätte er dem Schlachtbeil vermutlich entgehen können.
Wichtige Voraussetzung, um richtige intuitive Urteile fällen zu können, ist jedoch, dass man sich in der jeweiligen Domäne eine gewisse Expertise angeeignet hat. Unser Gehirn verfügt über die erstaunliche Eigenschaft, ein vorhandenes Expertenwissen innerhalb kürzester Zeit auf Sachverhalte anzuwenden. Zwar können wir häufig noch nicht konkret benennen, warum wir eine Idee für gut oder schlecht halten. Aber unser Bauchgefühl gibt uns bereits ein klares Signal, ob eine Idee Potential hat. Denn die Verarbeitungsgeschwindigkeit unseres Gehirns ist deutlich schneller als man glaubt. Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde vergleichen und deuten wir Informationen – und dies unter Berücksichtigung aller uns verfügbaren Informationen. Nur passiert dies in der Regel unbewusst und ohne, dass wir dies intentional verfolgen. Eine rationale Bewertung indes gelingt uns nur unter der Aufwendung erheblicher kognitiver Ressourcen und dies ohne, dass wir auf den vollen Schatz intuitiven Wissens zugreifen können. Was sich zunächst anhört, als wäre es die Botschaft eines spirituellen Selbstfindungskurses, ist tatsächlich empirisch mehrfach nachgewiesen worden, zum Beispiel anhand von Richterurteilen.
Vertrauen wir auf unsere eigene intuitive Urteilsfähigkeit, dann ergibt sich jedoch ein Problem. Wenn wir nicht klar benennen können, wieso wir eine Idee für gut halten, fällt es uns schwer, andere von dieser Idee zu überzeugen. Denn Überzeugungsarbeit passiert immer noch über rationale Argumente, die uns ja dann leider fehlen. Nicht selten siegt eine schlechtere Alternative über die gefühlt beste, einfach deshalb, weil dafür einfacher Argumente zu finden sind. Wäre es da nicht schön, wenn es einen Weg gäbe, das eigene Bauchgefühl auch für andere mitteilbar zu machen?
Hier liefert die qualitative Marktforschung einen geeigneten Zugang. Denn durch sie entsteht ein Raum, in dem Produktideen und Menschen, die diese Produkte eines Tages nutzen sollen, aufeinandertreffen. Und auch wenn wir vielleicht nicht alle Designer oder Produktentwickler sind, so sind wir doch Experten im Umgang mit Menschen. Wir können Freude, Verwirrung oder Wut erahnen. Was vielleicht nur schwer rational zu verbalisieren ist, wird in der Beobachtung der Interaktion zwischen Nutzer und Produkt empathisch, intuitiv begreifbar. Und hier präsentiert sich auch ein Wert der qualitativen Marktforschung: In der Interaktion mit den Probanden entsteht eine Symbiose aus Sprache, Bedeutung und Handeln. Emotionen lassen sich beobachten und ihre Ursachen ergründen. Darüber findet ein aktiver Prozess des Verstehens statt. Gerade für den Auftraggeber sind solche Momente unbezahlbar. Denn wenn er die Durchführung qualitativer Studien begleitet, zum Beispiel im Beobachtungsraum oder über Videoschaltung, werden sie in die Lage versetzt, die Wirkung seiner Produktidee auf die Zielgruppe selbst nachzuempfinden. Daher empfehlen wir unseren Kunden immer, unsere Studien zumindest teilweise zu begleiten. Darüber wird nicht nur ein gemeinsames Verständnis, sondern auch ein zusätzlicher Mehrwert für den Auftraggeber geschaffen. Denn durch die Beobachtung und das Verstehen wird das eigene Bauchgefühl aktiv geschult, was gerade in komplexen Entscheidungssituationen nahezu unbezahlbar ist. In diesem Sinne freuen wir uns darauf, Sie demnächst in unserem Beobachtungsraum zu begrüßen.